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Der überragende Andres Iniesta avancierte in der 116. Minute zum gefeierten Helden. Für die über weite Strecken überhart agierenden Holländer war es nach dem Scheitern von 1974 und 1978 die dritte WM-Finalniederlage.
Blatter überreicht Pokal an Casillas
Fabio Cannavaro, Kapitän des gescheiterten Titelverteidigers
Italien, hatte ihn ins Stadion gebracht. FIFA-Boss Sepp Blatter
blieb es vorbehalten, den WM-Pokal an Iker Casillas zu überreichen.
Nelson Mandela war nach der Schlussfeier nach Hause zurückgekehrt,
wo er das rustikale Spiel vor dem TV-Gerät erlebte.
Starbesetzung
Dabei hatten die Vorzeichen auf einen spielerisch hochklassigen
Showdown der ersten WM in Afrika hingedeutet. Beide Teams, die von
Südafrikas Präsident Jacob Zuma vor den Hymnen begrüßt wurden,
spielten in Bestbesetzung. Bei Spanien saßen Fernando Torres und
Cesc Fabregas auf der Bank, Pedro Rodriguez bildete mit Xavi und
Iniesta die Phalanx hinter David Villa.
Bei den Holländern kehrten die im Halbfinale gesperrten Nigel de Jong und Gregory van der Wiel in die Startelf zurück, im Angriff der "Elftal" sollte das bewährte Quartett mit Robin van Persie, Arjen Robben, Wesley Sneijder und Dirk Kuyt wirbeln.
Starker Beginn der Spanier
Die von Spaniens Königin Sofia und dem niederländischen Kronprinzen
Willem Alexander angeführte VIP-Armada hatte sich gerade erste
Ansätze von "Tiqui-Taca" und einige holländische Härteeinlagen im
Mittelfeld zu Gemüte geführt, als Sergio Ramos (5.) den Traumstart
auf dem Kopf hatte.
Nach einem Freistoß von Xavi war "Oranje"-Keeper Maarten Stekelenburg beim zu unplatzierten Versuch des Real-Verteidigers auf dem Posten. In der elften Minute war es wieder der aufgerückte Ramos, der Kuyt im Strafraum "einpackte" und John Heitinga mit einem scharfen Querpass zur Rettung in letzter Sekunde zwang.
Ungeahndete Kung-Fu-Einlage
Die "Seleccion" gab in dieser Phase den Ton an, ein spektakulärer
Volley von Villa (12.) landete im Außennetz. Wenig überraschend
nahmen Robben und Sneijder die ersten Angriffe der Holländer in die
Hand - noch weniger überraschend, dass "Eisenfuß" Mark van Bommel
das erste "dunkelgelbe" Foul an Iniesta beging.
©Bild: GEPA/Witters/Tim Groothuis |
Das rüde Einsteigen war der Startschuss zu einer echten "Holzerei" - vor allem der Niederländer. Das spielerische Element versandete, der englische Referee Howard Webb verteilte in der ersten halben Stunde fünf Gelbe Karten. Negativer Höhepunkt war ein brutaler Kung-Fu-Tritt von De Jong gegen die Brust von Xabi Alonso, der unerklärlicherweise nicht die Rote Karte nach sich zog.
Härte bleibt Trumpf
Die Holländer schafften mit unzähligen Fouls und aggressivem
Forechecking, was den Deutschen im Semifinale nicht gelungen war -
sie brachten das Kombinationsspiel der Spanier vorerst zum Erliegen.
Erst ein weit verzogener Distanzschuss von Barca-Shootingstar Pedro
(38.) riss das Publikum aus der Lethargie.
Bis zur Pause tat sich nur noch wenig - außer eines neuerlichen holländischen Tritts (43.) von Sneijder gegen das Knie von Sergio Busquets (Webb drückte wieder ein Auge zu) und eines Robben-Weitschusses (45.), den Spaniens Schlussmann Iker Casillas zur Ecke parierte.
"Hundertprozentige" aus dem Nichts
Nach dem Seitenwechsel konnte die Partie nur besser werden.
Zumindest wurde Fußball gespielt, und das hauptsächlich von den
Spaniern. Bei einem von Carles Puyol per Kopf verlängerten Eckball
verfehlte Joan Capdevilla (48.) knapp, nach einem Rempler Van
Bommels gegen Xabi Alonso (49.) hätte er sich über einen Elfer nicht
beschweren dürfen.
Dann gingen wieder "Oranje-Sensen" auf Iniesta und Co. nieder, Van Brockhorst und Heitinga holten sich die nächsten Gelben Karten ab.
Ein Van-Persie-Kopfball (61.) war das erste sportliche Lebenszeichen der Holländer seit langem, und wie aus dem Nichts lief Robben Augenblicke später auf das spanische Tor. Sneijder hatte ihn mit einem Steilpass auf die Reise geschickt, Robben (62.) scheiterte jedoch an Casillas bzw. dessen rechtem Fuß.
"Killer"-Villa vergibt
Der ersten "Hundertprozentigen" für Holland folgte eine für Spanien
- nur diesmal erwies sich "Killer"-Villa (70.) nicht als Torgarant.
Navas brachte den Ball in den Fünfmeterraum, Heitinga verpasste,
rettete aber beim Schuss des spanischen Torjägers in extremis. So
vergab Villa die Riesenchance auf sein sechstes WM-Tor.
©Bild: Reuters/Oleg Popov |
Die Spanier suchten die Entscheidung und fanden den ersten Matchball. Nach einer Ecke von Xavi stieg Ramos (77.) am "Fünfer" unbedrängt auf und köpfelte über die Latte. Ramos war genauso fassungslos wie kurze Zeit später Robben (83.), nachdem er in Richtung Casillas gesprintet war, sich aber von Puyol abdrängen ließ. Für sein Reklamieren eines vermeintlichen Fouls erhielt Robben die nächste Gelbe der "Oranjes".
Overtime-Chancen wären da gewesen
Es folgte die Verlängerung, auch weil Spanien in den letzten Minuten
zu viel Angst vor dem "tödlichen" Konter der Niederlande hatte. Und
Cesc Fabregas, der im Finish für Xabi Alonso gekommen war, hatte die
erste Möglichkeit auf den vorentscheidenden Schlag (95.). Nach
Idealpass von Iniesta ging der Arsenal-Star in das Duell mit
Stekelenburg - und verlor.
Auch der überragende Iniesta (99.) erwies sich bei einer Drei-gegen-eins-Situation als zu zögerlich und blieb in der Abwehr hängen. Ein gefährlicher Schuss von Navas (101.) wurde von Van Bronckhorst ins Außennetz abgefälscht, auf der anderen Seite hatte nur Joris Mathijsen mit einem Kopfball für - allerdings größte - Gefahr gesorgt.
Der Beste entscheidet das Finale
Zu Beginn der zweiten Hälfte der Verlängerung ging Villa für Torres
aus dem Spiel, der Goldtorschütze im EM-Finale 2008 gegen
Deutschland sollte es auch 2010 richten. In der 109. Minute dann die
fast unvermeidliche Gelb-Rote Karte gegen einen Holländer - Heitinga
hatte Iniesta knapp außerhalb des Strafraums zurückgehalten, den
Freitoß setzte Xavi über das Tor.
Bei einem Ball-Wegschießen nach dem Pfiff von Robben (114.) ließ Webb Gnade vor Recht ergehen. Unbarmherzig lief die Partie in Richtung Elferschießen, als sich der beste Spieler auf dem Platz zum Helden aufschwang. Über Torres und Fabregas gelangte der Ball zu Iniesta, der ihn noch einmal aufspringen ließ, ehe der 1,69 m große Barca-Star trocken zum 1:0 (116.) in die lange Ecke einschoss.
Der Rest war unbeschreiblicher Jubel der Spanier, auch Königin Sofia tanzte nach dem Tor auf dem Tisch der Ehrentribüne. Die Holländer versuchten sich noch einmal aufzurichten, aber vergeblich. Webb pfiff nach 122 Minuten ab, Spanien war erstmals Weltmeister.
Harald Hofstetter, ORF.at
WM-Finale
Sonntag: Niederlande - Spanien 0:1 n.V.
Johannesburg, Soccer-City-Stadion, 84.500 Zuschauer, SR Webb (ENG)
Tor: Iniesta (116.)
Niederlande: Stekelenburg - Van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Van Bronckhorst (105./Braafheid) - Van Bommel, De Jong (99./Van der Vaart) - Robben, Sneijder, Kuyt (71./Elia) - Van Persie
Spanien: Casillas - Ramos, Pique, Puyol, Capdevila - Alonso (87./Fabregas), Busquets - Pedro (60./Navas), Xavi, Iniesta - Villa (106./Torres)
Gelb-Rote Karte: Heitinga (109.)
Gelbe Karten: Van Bommel, De Jong, Van Persie, Van Bronckhorst, Robben, Van der Wiel, Mathijsen bzw. Puyol, Ramos, Capdevila, Iniesta, Xavi
Die Besten: Robben, Stekelenburg bzw. Ramos, Iniesta, Busquets
Statistik:
Niederlande | Spanien | |
Torschüsse | 5 | 6 |
Schüsse | 13 | 18 |
Fouls | 28 | 19 |
Eckbälle | 6 | 8 |
Abseits | 7 | 6 |
Ballbesitz | 44 Prozent | 56 Prozent |