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Marcel Koller neuer österreichischer Teamchef

„Ich bin voller Tatendrang“, versichert Marcel Koller, obwohl er genau weiß, dass das Amt eines Nationaltrainers bisweilen ein undankbares ist:

„Das ist immer so. Bei der Nationalmannschaft steht die ganze Nation dahinter und lechzt nach Erfolgen.“

Es wird spannend zu beobachten, ob der Schweizer, der es als Aktiver auf 55 Länderspiele brachte, diese garantieren kann.

Denn eines kann man ohne Zweifel feststellen: Mit der Bestellung des 50-Jährigen, der mit St. Gallen und Grasshopper Zürich Meister wurde und in der Deutschen Bundesliga für Köln und Bochum arbeitete, ist ÖFB-Präsident Leo Windtner fraglos eine Überraschung gelungen.

Den Weg des geringsten Widerstands hat der Verbands-Boss damit definitiv nicht eingeschlagen.

 

ÖFB-Boss Leo Windtner und sein neuer Fußball-"Oberlehrer" Marcel Koller

DIE SEILSCHAFTSFRAGE:

Hört man Windtner über das Anforderungsprofil, das letztlich als Basis der Kür Kollers diente, philosophieren, kann man sich eines Eindrucks nicht erwehren: Bezüglich jener Eigenschaften, die Österreichs ranghöchster Trainer mitbringen muss, hat der Oberösterreicher in den letzten zweieinhalb Jahren eine 180-Grad-Drehung hingelegt. Beinahe jeder Punkt muss unweigerlich als Antithese zum gescheiterten Didi Constantini ausgelegt werden. Ob Koller letztlich alle Kriterien erfüllen kann, wird die Zukunft weisen. Als Ausgangspunkt für alle weiteren Betrachtungen gilt es jedoch festzuhalten, dass sich Windtner offenkundig bewusst dafür entschieden hat, kein jahrelang in der heimischen Fußball-Szene verwurzeltes Mitglied mit dieser Aufgabe zu betrauen. Einem Ausländer, der in seiner Trainerkarriere noch etwas erreichen will, werden die notwendigen Reformen offenbar eher zugetraut. Eine Herangehensweise, aus der Windtner im Prinzip gar kein Hehl macht, wie dieser unmissverständliche Satz im Rahmen der Präsentation belegt: „Koller hat den Vorteil, dass er unvorbelastet und mit neutraler Sicht in den Job hineingeht, dass er wirklich mit Innovationen daherkommt, dass er in Österreich seine eigenen Spuren ziehen kann.“

DAS PERSÖNLICHKEITSPROFIL:

Eine unvoreingenommene Sicht von außen kann nicht schaden. Die Frage wird sein, wie Koller seine Vorstellungen durchsetzen kann. Diesbezüglich dürfte es für den Schweizer von Vorteil sein, dass die Rolle von Sportdirektor Willi Ruttensteiner aufgewertet wird. Dessen unmittelbare Kompetenz endete bisher bei der U21, nun bekommt der Interims-Teamchef mehr Einfluss auf das A-Team. Man darf davon ausgehen, dass der 48-Jährige bei der Bestellung des „außergewöhnlichen Fachmanns“ (O-Ton Ruttensteiner über Koller) seine Finger massiv mit im Spiel hatte. Kennt man die hiesigen Gegebenheiten, wird Koller eine gewisse Portion Geduld benötigen. Zumindest was die Arbeit am Platz betrifft, lässt der Neo-Teamchef durchaus Sturheit durchklingen, wenn er sich selbst charakterisiert: „Ich bin einer, der sehr akribisch arbeitet, der seine Ideen im Kopf hat und diese schlussendlich auch auf dem Platz umgesetzt sehen will. Da bin ich sehr hartnäckig mit den Spielern und werde auch nicht nachgeben. Ich weiß aber, dass es nicht damit getan ist, ein, zwei Mal zu sagen: ‚Jetzt musst du hier stehen, jetzt musst du da stehen‘, sondern man muss die Spieler führen, man muss sie immer wieder darauf hinweisen, was zu tun ist, was für unser System besser ist.“

DIE SPIELPHILOSOPHIE:

Wie Spielphilosophie und System genau ausschauen sollen, will Koller logischerweise zuerst den Spielern mitteilen. Der 50-Jährige versteht es jedoch gleichzeitig, am medialen Klavier jene Töne zu treffen, die in der Öffentlichkeit gut ankommen. „Wie bisher mit viel Leidenschaft“ soll unter seiner Anleitung gespielt werden: „Ich habe die Idee, dass wir nach vorne spielen, dass wir das Publikum mitnehmen wollen. Wenn du so viele Aktionen wie möglich vor dem Tor hast, stehen die Zuschauer hinter uns. Das gibt dann zusätzliche Energie.“ Er sei keiner, der gerne abwartet: „Ich will das Heft in die Hand nehmen. Das heißt, dass die Spieler nicht zögerlich agieren sollen, sondern attackieren, damit wir im Ballbesitz sind, weil dann der Gegner Probleme hat.“ Worte, die gut klingen. Als erste Maßnahme ist aber anzunehmen, dass seine ebenso bewusst platzierten Hinweise, dass die Mannschaft kompakt stehen müsse, in Angriff genommen werden. Das hartnäckige ÖFB-Problem ist bekannt: In 33 der letzten 36 Länderspiele hat Rot-Weiß-Rot zumindest einen Gegentreffer kassiert. Koller hat in seinem DVD-Studium bereits registriert, dass der eine oder andere „Bock zu Gegentoren geführt“ hat. Seine Erkenntnis: „Es wird wichtig sein, dass wir mit hoher Konzentration und alle zusammen verteidigen.“

DER FÜHRUNGSSTIL:

Eine unbestrittene Errungenschaft der Ära Constantini war es, dass die Mannschaft mehr als Einheit auftrat als in den Jahren zuvor, wo man sich bisweilen mit Gruppenbildung konfrontiert sah. Auch aktuell ist nicht jeder mit jedem gut Freund, wie zuletzt die Causa Marko Arnautovic bewies. Auf dem Platz präsentierte die Mannschaft jedoch meist guten Spirit, auch nach Rückschlägen bäumte man sich öfter als in der Vergangenheit auf, bisweilen durchaus erfolgreich. Dieses stimmungstechnische Schönwetter gilt es zu konservieren. Koller betont: „Ich bin ein Trainer, der seine Ideen durchsetzen will und kann, ich kann aber auch Kumpel sein. Es ist nicht so, dass ich mit der Peitsche komme und alle vor mir her scheuche. Wichtig ist, dass man ein gutes Klima hat, dass man sich wohl fühlt und gerne zur Nationalmannschaft kommt.“

DIE KENNENLERNPHASE:

Koller gibt unumwunden zu, dass er große Teile der Mannschaft erst kennenlernen muss. Einen „Startvorteil“ hat so gesehen lediglich Christian Fuchs, den der Schweizer 2008 von Mattersburg zu Bochum lotste. Gut möglich, dass diese Kennenlernphase nicht nur die zuletzt gewohnten Kadermitglieder betrifft, sondern auch den einen oder anderen Rückkehrer. Mit Andreas Ivanschitz macht aktuell einer der von Constantini aussortierten Akteure den Anfang, weitere wie György Garics oder Martin Stranzl könnten folgen. Koller schränkt seine personellen Optionen naturgemäß nicht ein und betont: „Jeder hat die Chance, in den Kreis der Nationalmannschaft zu kommen. Jeder, der gut spielt, der die Fähigkeiten dazu hat, und wo ich das Gefühl habe, er passt in die Nationalmannschaft.“

DIE KOMMUNIKATIONSOFFENSIVE:

Im Anforderungsprofil ist von Kommunikationsfähigkeit – sowohl intern als auch in Richtung Medien – die Rede. Dem smarten Schweizer ist es zuzutrauen, dass er die Öffentlichkeitsarbeit im Griff hat. Gehöriger Verbesserungsbedarf besteht jedoch vor allem bei der internen Kommunikation. Dabei geht es nicht nur um die Abstimmung mit den Nachwuchs-Teamchefs, sondern durchaus auch um die Kontaktpflege mit Teamspielern und deren Vereinen – ein großes Manko unter den Vorgänger-Teamchefs Karel Brückner und Constantini. Letzterem wurde nachgesagt, wenig bis gar keinen persönlichen Kontakt mit Spielern zu pflegen, wenn er sie beobachtete. Wohl nicht von ungefähr hebt Koller hervor: „Mein Ziel ist es, die Spieler in den Vereinen zu besuchen, mit ihnen Kontakt zu haben. Es ist auch wichtig, dass man mit den Trainern und Managern in Kontakt ist und sich austauscht.“ Die Message des 50-Jährigen: Er will ganz Fußball-Österreich ins Boot holen, alleine könne der ÖFB eine Qualifikation nicht schaffen. „Viele kleine Mosaiksteinchen müssen zusammenpassen. Wenn alle am gleichen Strick ziehen, ist viel möglich“, so Koller.

DIE AUSLÄNDERFRAGE:

Wenn denn alle am gleichen Strick ziehen… Koller ist einer Gefahr ausgesetzt, vor der er sich wohl nur mit schnellem Erfolg schützen kann: Den typisch österreichischen Mechanismen. Einerseits ist die Skepsis dem Unbekannten gegenüber hierzulande traditionell groß, zweitens reagiert im konkreten Fall gerade der Medien-Boulevard mit offen zur Schau getragenem Missfallen. Während Windtner zu vermitteln versucht, dass die Frage der Nationalität bei der Bestellung keine Rolle gespielt habe, sondern die Qualifikation entscheidend gewesen sei, beziehen die üblichen Seilschaften längst Stellung. So trauert etwa die „Krone“ Andi Herzog nach, und Kurt Jara – seit mehr als einem halben Jahrzehnt in unfreiwilliger Frühpension – darf ausrichten: „Es ist sicherlich eine gewisse Enttäuschung da. Das Anforderungsprofil hätte auf mich sicher besser zugetroffen, weil ich im Ausland mehr Erfolg hatte und mehr Titel geholt habe als Koller. Viele Leute haben mir zugesprochen und tun es jetzt auch noch, und sagen, du wärst der Beste gewesen'.“ Vor allem der allmächtige Generaldirektor Alfred Ludwig gilt seit jeher als interner Fürsprecher des Tirolers. Jara: „Ich habe ein gutes Gespräch mit Alfred Ludwig geführt und eines mit Leo Windtner, das war mehr Kaffeeklatsch.“ Womit wir wieder bei den eingangs erwähnten Seilschaften wären. Wer im ÖFB diesmal „allmächtiger“ war und versucht, neue Wege zu beschreiten, sollte somit klar sein…

Peter Altmann

Quelle: laola1

 

 

 

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